Shaktipat durch Blickkontakt

22. Oktober 2023 – von Bettina Grepmair

Es ist auf einem Retreat, bei dem wir von Daniel in die Grundlagen der Yogischen Heilkunst eingeführt werden. Nach einer gemeinsamen Meditation können wir Fragen stellen und uns austauschen, während Daniel jede Gelegenheit nutzt, um uns zu unterrichten. Nachdem er schon einigen aus unserer Gruppe weitergeholfen hat, stelle ich ihm eine Frage zu meiner Meditationspraxis. Er schaut mich nur an, keine Antwort.

Ok. Sicher habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ich versuche es also gleich noch einmal und stelle meine Frage erneut. Er schaut mich weiterhin an. Jetzt bin ich irritiert. War meine Frage so schlecht formuliert? Oder unangebracht? Oder irrelevant? Ich denke kurz darüber nach, lasse mich aber nicht davon abbringen, meine Frage noch einmal neu zu formulieren. Daniel schaut mich an und lächelt.

Hilfe, das kann doch nicht wahr sein. Die Situation wiederholt sich noch ein paar Mal und wird für mich irreal, anstrengend und unangenehm. Was um mich herum im Raum passiert, die Reaktion der anderen, nehme ich gar nicht mehr wahr. Irgendwie geht es nur noch um Daniel und mich. Mir dämmert bereits, dass er etwas demonstrieren möchte, als er sagt: „Es gäbe einen viel leichteren Weg.“ Ich schließe die Augen und versuche zu verstehen. Ihm zu folgen. Obwohl ich sehr verunsichert bin, zweifle ich keine Sekunde daran, dass er es gut mit mir meint. Und das hilft mir dabei, nicht abwehrend zu reagieren oder mich zu verschließen. Ich spüre, dass hierin etwas Bedeutendes für mich enthalten sein könnte.

Irgendwann ermutigt mich Daniel, die Augen wieder zu öffnen und es noch einmal zu versuchen. Ich schaue ihn direkt an. Und es gelingt mir unter diesem Blick nicht, meine Gedanken zu ordnen oder einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Ich bin kurz versucht, meine Augen abzuwenden, um mich sammeln zu können, als ich begreife, dass es genau darum geht. Es ist, als würde mich sein Blick zu ihm hinüber, in ihn hineinziehen. Es ist wie ein Sog, der es mir unmöglich macht, zu denken. Als ich versuche, dieses Phänomen zu beschreiben, bringt es Daniel auf den Punkt: Zu wem soll ich sprechen, wenn kein Verstand da ist, der zuhört? Und dann fragt er mich: „Was ist in dir, wenn du nicht denkst?“

Noch beim Aussprechen überwältigen mich meine eigenen Gefühle. Wie oft hatte ich mich danach gesehnt, tiefe Verbundenheit und Liebe zu fühlen. Und jetzt waren sie einfach da, ohne Anstrengung. Genauso wie Frieden. Und Fülle. Und diesmal kann ich kaum sprechen aus Dankbarkeit, aus unendlicher Dankbarkeit. Und weil ich so glücklich bin. Was für ein Geschenk.